Psychische Gesundheit

Workshop

Do, 12.09.2024
09.00-10.30 UhrRaum 6.05

Vitamin B-komplex: Begegnung - Berührung - Beziehung - Bedeutung

ABSTRACT: Im Begegnungsraum Schule sind zahlreiche vielfältige multisensorische Berührungen erfahrbar. Bereits beim morgendlichen Einlass sind diverse Reize wie die Lautstärke von Gesprächen, selbstgestaltete Bilder an den Wänden, unterschiedliche Gerüche, sich gegenseitig in die Quere kommende Schultaschen und vieles mehr zu filtern. Wenn Begegnungen berühren, gilt es, sie richtig zu interpretieren und zu deuten. Dabei unterliegen die Berührungsbotschaften der Komplexität menschlicher Kommunikation mit entsprechendem Konfliktpotential. Das schulische System bedarf in diesem Kontext schulpsychologischer Expertise.
Besonders im Zusammenhang mit körperlichen Berührungen in der Schule besteht bei pädagogischen Fachkräften rechtlicher und psychologischer Klärungsbedarf. Seit 2013 befasse ich mich intensiv mit diesem Themenkomplex und habe den zweiteiligen Workshop „Beherztes körperliches Eingreifen bei Aggressionsausbrüchen und in pädagogischen Grenzsituationen“ entwickelt. Er wurde 2014 erstmals beim BUKO vorgestellt, seither kontinuierlich weiterentwickelt und an zahlreichen Berliner Grundschulen und Förderzentren durchgeführt. Der erste Teil des Workshops zielt vor allem darauf ab, pädagogischen Fachkräften mehr Handlungssicherheit zu vermitteln, da ihnen oft ein generalisiertes Berührungsverbot meist mündlich überliefert wurde. Aus meiner schulpsychologischen Perspektive stellt dies eine strukturelle Antinomie dar, die notwendiges Handeln blockieren und sowohl physische als auch psychische Auswirkungen haben kann. Der Wert und die Bedeutung von Berührungen werden üblicherweise im zweiten Teil erläutert und mit den pädagogischen Fachkräften diskutiert. Die Wechselwirkung von Berührung und pädagogischer Beziehungsgestaltung beinhaltet einige positive Effekte auf Gesundheit, Stressbewältigung, Motivation und Lernbereitschaft.
Beim BUKO 2024 beabsichtige ich, unter Berücksichtigung des Kongressmottos „Psychisch gesund in die Zukunft!“, meine bisherigen Erfahrungen und teilweise neu gewonnenen Erkenntnisse der letzten 10 Jahre unter den folgenden Aspekten zu teilen:

  1. In diesem Zeitraum gab es zahlreiche Neuveröffentlichungen, die für die Bedeutung von Berührungen, auch im Hinblick auf psychische Gesundheit und gesellschaftliche Entwicklungen, sensibilisieren wollen. Dabei ist ein wesentlicher schulpsychologisch relevanter Fokus der Einfluss der Digitalisierung auf das (Beziehungs-)Lernen und Verhalten.
  2. Die institutionelle Auseinandersetzung mit dem Thema Berührungen ist hilfreich bei der Erarbeitung eines Verhaltenskodex für ein Kinder- und Jugendschutzkonzept.
  3. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Covid-19-Pandemie, in der wortwörtlich Berührungsängste entstanden sind, da Nähe und Berührungen als bedrohlich konditioniert wurden.

Mit kleinen, freiwilligen Übungen lade ich während meines Workshops zur Selbsterfahrung und -reflexion ein.

Matthias Siebert - Fachbereich Schulpsychologie, SIBUZ Steglitz-Zehlendorf, Berlin

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