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Kurzvortrag
Do, 12.09.2024
10.00-10.30 UhrRaum 3.01
ABSTRACT: Dieser Beitrag untersucht die mythischen „Gedächtnisräume“ im Werk von Anselm Kiefer, wobei seine umfassende Installation in La Ribaute (Frankreich) als Beispiel dient. Der Fokus liegt auf Kiefers Konzept des Mythischen und wie und welche Prozesse des Gedächtnisses, die nicht ausschließlich einer zeitlichen Dimension untergeordnet sind, sondern gleichzeitig eine räumliche Kapazität repräsentieren, verkörpert werden. Diese Prozesse sind nicht nur in künstlerischen Praktiken enthalten, sondern auch in kulturellen Speicherorten wie Büchern, die sich nicht nur in physischer Erscheinung manifestieren, sondern auch mit, durch und im Betrachter entstehen. Wahrnehmung wird im Allgemeinen in einer Raum-Zeit-Dimension prozessualisiert, indem die körperliche Erfahrung von Raum durch Bewegung, Betreten und Durchqueren einbezogen wird. Wie zeigt sich das Mythische in Kiefers Werk? Wie führt uns Kiefer durch seine Arbeit?
Die Frage nach der Form der räumlichen Erzählweise in Verbindung mit dem aktivierten Prozess der Gedächtnisspeicherung stellt sich, wobei auf kulturelle Speicherorte wie Bücher, Poesie und Architektur während und durch diese spezifischen körperlichen Bewegungen in der Vorstellung und Realität des Ateliers verwiesen wird. Der Beitrag diskutiert Kiefers künstlerisches Verständnis des mythischen Raums unter Berücksichtigung verschiedener theoretischer Ansätze, insbesondere jedoch des „embodied cognition“ ausgehend von Ernst Cassirers Theorie des mythischen Denkens, Rudolf Arnheims Kunstpsychologie, Maurice Merlau-Pontys Theorie der Verkörperung. Der Ansatz mündet in der Diskussion der Theorie des „embodied cognition“, die sich mit dem Einfluss der körperlichen Wahrnehmung der Umwelt durch Bewegung äußert.
Kiefer taucht tief in die tiefsten Erfahrungen ein, die Wahrnehmung und kognitives Denken durch kulturelle Erkundungen und Symbole erreichen. Das Atelier erscheint als sein inszenierter künstlerischer Handlungsraum, der sich, wie in der Mythologie, durch Richtungen des „Aufstiegs“ und „Abstiegs“ entfaltet, sei es in Installationen, Architekturen oder Gemälden - überall in Kiefers Werk. Die Frage ist dann, wie das Mythische, das von Cassirer als eine Sphäre zwischen dem Kognitiven und dem Sinnlichen verortet wird, in Arnheims Verständnis von Kunst als Ordnung und Zufall und in Merlau-Pontys Idee der Verkörperung in der Auseinandersetzung mit Materialien, Raumkonstruktionen, Betrachterbezügen mit Worten in Schriften und der konkreten Realität der künstlerischen Praxis bei Kiefer definiert wird.
Diese Forschungsansätze führen zu der Frage, inwieweit im Kontext der Schulpsychologie, die Umwelt die körperliche Erfahrung der Kunst bedingt, und vice versa, wie sich Kunsterfahrung durch Umweltgestaltung verwandelt, und wie können diese Forschungsansätze zum Verständnis des Schülerverhaltens beitragen.
Prof. Dr. Isabella Woldt - MSH Hamburg, University of Applied Sciences and Medical University