Spezifische Belastungen im Fokus
Vortrag
Fr, 13.09.2024
12.30-13.30 UhrRaum 7.02
ABSTRACT: Das Internet ist in der Jugendkultur omnipräsent, wie sich der JIM-Studie (2023) entnehmen lässt: 96% der 12-19-Jährigen verfügen über ein eigenes Smartphone. Von größter Beliebtheit sind dabei Apps wie WhatsApp, Instagram, TikTok und YouTube, diese werden vielfach täglich oder zumindest mehrmals die Woche genutzt. Weitere große Bereiche sind Videospiele und Streamingdienste. Durchschnittlich 224 Minuten sind 12-19-Jährige täglich online.
In vielen Beratungsprozessen zeigte sich, dass eine intensive Nutzung von Online-Medien bei Eltern und Lehrkräften negativ konnotiert ist. Funktion, Nutzen und Relevanz werden dabei übersehen. In der UN-Kinderrechtskonvention ist das Recht auf Schutz vor Gefährdungen fest verankert, gleichzeitig sind auch die Rechte auf Befähigung und Teilhabe formuliert. Diese beziehen sich auf die gesamte Lebenswelt, also auch auf die digitale. Damit Eltern und Fachkräfte diesen Aufgaben gerecht werden können, ist es entscheidend, dass sie einen Überblick über die Trends, Entwicklungen und Inhalte erlangen und sich dabei bewusst werden, inwiefern das Internet – abseits einer rein funktionalen Nutzung – auch Kultur- und Lebensraum sein kann (Döring, 2003).
Einerseits ist es interessant zu beleuchten, wie Kinder und Jugendliche die Online-Welt nutzen, und andererseits, wie sich die Gegebenheiten des Internets psychosozial auswirken können. Warum ist der Anreiz sich dort aufzuhalten für die Kinder und Jugendlichen so groß? Aus moderner entwicklungspsychologischer Sicht erscheint es naheliegend, dass Jugendliche sich mit den an sie gestellten Entwicklungsaufgaben, der Entwicklung von Identität und Moral, auch in der digitalen Welt auseinandersetzen. Eine konkrete Analyse findet sich in einem sozialpsychologischen Beitrag von Döring (2018), hier sind Identitäten, soziale Beziehungen und Gemeinschaften im Internet zentraler Gegenstand der Forschung. Im Vergleich Offline- vs. Online-Kommunikation sei Online nicht grundsätzlich als defizitär anzusehen. Vielmehr berge die digitale Welt hierbei ein eigenes Potenzial, unter anderem zur authentischen Selbstdarstellung, zur Pflege von Beziehungen über Distanzen hinweg und für Empowerment.
Wir möchten in diesem Vortrag die Perspektive aufzeigen, dass das Internet neben allen bekannten Gefährdungspotenzialen gleichzeitig als selbstgewählter Safe-Space und Entwicklungsraum fungieren kann, der von struktureller Gewalt und Belastungsfaktoren des Alltagsgeschehens entkoppelt ist. In der Beratung können alle Sichtweisen zusammenfließen und integriert werden, dies ermöglicht ein besseres Verständnis und folglich lebensweltorientiertere pädagogische Implikationen.
Christina Mix & Christopher Keck - ReBBZ Beratungsabteilung Eimsbüttel, Hamburg