Keynotes
Vortrag
Mi, 11.09.2024
Einleitung: Die hohe Prävalenz von psychischen Auffälligkeiten im Kindes- und Jugendalter gilt als eine der globalen gesundheitlichen Herausforderungen. Kinder und Jugendliche leben in turbulenten Zeiten, konfrontiert mit den Folgen der COVID-19-Pandemie, der Klimakrise, Kriegen, wirtschaftlicher Unsicherheit und Ängsten, die ihr Wohlbefinden und ihre psychische Gesundheit erheblich gefährden. Der Keynote-Vortrag widmet sich den Fragen, wie es aktuell um die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland steht und welche Entwicklung sich in den letzten 20 Jahren gezeigt hat. Darüber hinaus werden Risikofaktoren für psychische Belastungen sowie Ressourcen zur Stärkung der psychischen Gesundheit in Krisenzeiten vorgestellt.
Methodik: Datengrundlage bilden die bevölkerungsbasierten Längsschnittstudien BELLA (2003–2017, N = 1500–3000) und COPSY (2020–2023, N = 1600–1700). In beiden Studien wurden wiederholt Kinder und Jugendliche im Alter von 7 bis 17 Jahren sowie deren Eltern zu ihrer gesundheitsbezogenen Lebensqualität (KIDSCREEN-10), psychischen Auffälligkeiten (SDQ), Ängsten (SCARED), depressiven Symptomen (CES-DC) und psychosomatischen Beschwerden (HBSC-SCL) befragt. In den jüngsten Erhebungen der COPSY-Studie wurden darüber hinaus krisenbezogene Belastungen und Zukunftsängste erfasst.
Ergebnisse: Die Ergebnisse der BELLA-Studie vor der Pandemie zeigen, dass Kinder und Jugendliche eine konstant hohe gesundheitsbezogene Lebensqualität hatten und etwa jedes fünfte Kind unter psychischen Auffälligkeiten litt. Während der Pandemie kam es zu einer erheblichen Verschlechterung der Lebensqualität und zu einer Zunahme an psychischen Auffälligkeiten. Auch nach Ende der Pandemie leidet immer noch jedes fünfte Kind unter einer geminderten Lebensqualität und psychischen Auffälligkeiten. Gleichzeitig sind die Kinder und Jugendlichen angesichts neuer Krisen belastet. Kinder und Jugendliche psychisch belasteter Eltern und aus sozial schwächeren Familien leiden besonders stark unter den pandemie- und krisenbezogenen Belastungen, während ein positives Familienklima und soziale Unterstützung Kinder und Jugendliche schützen und seelisch stabilisieren können.
Diskussion: Globale Krisen wie die COVID-19-Pandemie können sich nachteilig auf das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen auswirken. Um Kinder und Familien in Krisenzeiten besser unterstützen und Belastungen auffangen zu können, werden ressourcenorientierte und niedrigschwellige Gesundheitsförderungs-, Präventions- und Interventionsansätze benötigt. Präventionsprogramme im Setting Schule, der Ausbau von Schulpsycholog:innen und -sozialarbeiter:innen sowie Maßnahmen zur Sensibilisierung und Entstigmatisierung psychischer Auffälligkeiten in Bildungseinrichtungen werden als wichtige Bausteine diskutiert, um allen Kindern ein gesundes Aufwachsen zu ermöglichen.
Dr. Anne Kaman, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf