Keynotes

Vortrag

Fr, 13.09.2024

Die Magie der Lernmotivation

Lernmotivation - hier verstanden als Fähigkeit zur Selbstregulation, um schulische Herausforderungen zu bewältigen - ist vermutlich die wichtigste Voraussetzung für einen angemessenen Schulabschluss und die nachfolgende Bildungs- und Berufslaufbahn.
So zeigt etwa die aktuelle PISA-Studie einen deutlichen Abfall von instrumenteller Motivation, Freude und Selbstwirksamkeitserwartung der 15-jährigen Schülerinnen und Schüler für das Fach Mathematik und kann als ein wesentlicher Grund für die Abnahme der erfassten PSA-Kompetenzen über die letzten 10 Jahre angenommen werden.
Prozesse der Lernmotivation können als Wechselwirkung zwischen der schulischen Lernumwelt und den individuellen Motivationsfaktoren der Schülerinnen und Schüler beschrieben werden. Nach dem Integrierten Lern- und Handlungsmodell (Martens 2012, 2017), können (1) Verantwortungsübernahme, (2) Kompetenzerwartung und (3) Selbstkongruente Zielverfolgung als die Trias angesehen werden, die durch den phasenspezifischen Zugang zum Selbst eine nachhaltige Lernmotivation des Individuums sichern.
Diese drei individuellen Motivationsfaktoren können gleichermaßen durch eine sorgsame Gestaltung der schulischen Lernumwelt als auch durch geleitete Selbstreflexion systematisch gesteigert werden.
So könnte etwa die wahrgenommene Wahlfreiheit der Lernthemen zur Stärkung der Verantwortungsübernahme, die wahrgenommene Wahlfreiheit der Lern- und Lösungsstrategien zur Verbesserung der Kompetenzerwartung und die situativ flexible Gestaltung von Lernmöglichkeiten zur Unterstützung der Selbstkongruenten Zielverfolgung fachspezifisch ausgestaltet werden.
Selbstreflexionsprozesse können etwa durch entsprechende Reflexionsfragen in einem Lerntagebuch kombiniert mit regelmäßigen Nachbesprechungen mit sorgfältig geschulten Lernbegleitenden initiiert werden. Die Wirksamkeit solcher Lerntagebücher konnte in einer quasi-experimentellen Studie sowie einer Replikationsstudie in Bezug auf die Steigerung der Lernmotivation nachgewiesen werden.
Insbesondere der Selbstbezug ermöglicht eine überfachliche und zeitliche Generalisierung der hier skizzierten Lernmotivierungsprozesse. Gelingende Selbstreflexionsprozesse können auf andere Schulfächer und auf künftige Lebensherausforderungen übertragen werden. Mittel- und langfristig können steigendes Interesse an schulischen Themen, verbesserte schulische Leistungen, erhöhte Berufs- und Bildungschancen erreicht werden sowie Lebenszufriedenheit, psychische Gesundheit und gesellschaftliche Teilhabe gestärkt werden. Diese vermuteten Wirkungen von Lernmotivationsprozessen müssten natürlich in entsprechenden Längsschnittstudien empirisch überprüft werden.
Gestaltungsmaßnahmen zur Stärkung der Lernmotivation sollten ab sofort in der Schule umgesetzt werden. Etwa Lerntagebücher lassen sich - eine sorgfältige Schulung von Lernbegleitenden vorausgesetzt - leicht im Schulalltag implementieren und validieren. Dabei sollte eine Verstetigung solcher Maßnahmen in den normalen Schulalltag rechtzeitig überlegt und entsprechend strukturell vorbereitet werden.

 

Prof. Dr. Thomas Martens, Medical School Hamburg

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